TODESOPFER RECHTER GEWALT SEIT 1990

Ausstellung 09. bis 23. November 2020
auf dem Möllner Schulberg im Mensa-Außenbereich
Schulprojekte im Rahmenprogramm

Ausstellung 09. bis 23. November 2020
auf dem Möllner Schulberg im Mensa-Außenbereich

Vor 28 Jahren am 23.11.1992 fielen drei Möllnerinnen rechtsextremistischen Brandanschlägen zum Opfer, viele weitere wurden verletzt, körperlich wie seelisch. Für den Verein Miteinander leben e.V. ist dies Motivation, zum Gedenken jährlich eine Schulaktion zu organisieren, die junge Menschen dazu bringt, nicht nur zurück zu schauen, sondern sich mit Themen wie Rassismus und Rechtsextremismus, der zu diesen Taten führte, auseinanderzusetzen.
Im Jahr 2020 ist dies im Zuge eines Ausstellungsprojektes geschehen, das den Opfern rechter Gewalt, auch denen aus Mölln, ein Gesicht gibt.
Die Ausstellung umfasste chronologisch geordnet 183 Tafeln mit den Schicksalen von Menschen, die seit 1990 vor dem Hintergrund von Hass von Rechts gewaltsam zu Tode gekommen sind.
Die Ausstellung ist im Internet dokumentiert, es gibt ausführliches Material für den Unterricht mit diversen Zugängen.

www.opfer-rechter-gewalt.de

Kunstprojekt „Opfer von Gewalt“
WiPo Profil Ed
Marion-Dönhoff-Gymnasium Mölln

Einige Schülerinnen und Schüler wurden durch den Besuch der Ausstellung zu einem Kunstprojekt angeregt, aus dem heraus Plakate gegen Gewalt und Diskriminierung gestaltet wurden.
In Zusammenarbeit mit der Kunstlehrerin Frau Bormann-Karsten und der
Kulturvermittlerin und Künstlerin Eva Ammermann wurden mithilfe einer
Schattenspielleinwand silhouettenhafte Schattenfigurengruppen als
Standbilder geschaffen, die Gewalt insbesondere aus Sicht der Opfer
zeigen. Durch diese Darstellungsweise werden die Personen hinter der
Leinwand unkenntlich: Jeder und jede kann ein Opfer, Retter oder Täter sein, so die Botschaft der entstandenen Plakate.

Kunstprojekt „Opfer von Gewalt“
WiPo Profil Ed
Marion-Dönhoff-Gymnasium Mölln

Einige Schülerinnen und Schüler wurden durch den Besuch der Ausstellung zu einem Kunstprojekt angeregt, aus dem heraus Plakate gegen Gewalt und Diskriminierung gestaltet wurden.
In Zusammenarbeit mit der Kunstlehrerin Frau Bormann-Karsten und der
Kulturvermittlerin und Künstlerin Eva Ammermann wurden mithilfe einer
Schattenspielleinwand silhouettenhafte Schattenfigurengruppen als
Standbilder geschaffen, die Gewalt insbesondere aus Sicht der Opfer
zeigen. Durch diese Darstellungsweise werden die Personen hinter der
Leinwand unkenntlich: Jeder und jede kann ein Opfer, Retter oder Täter sein, so die Botschaft der entstandenen Plakate.

Ein Brief an das Leben

Inke Tewes Marion-Dönhoff-Gymnasium Mölln, Q2d

Liebe Bewohner und Bewohnerinnen des schönen Herzogtum Lauenburgs,

dieser Brief sollte eigentlich aus der Sicht eines anderen Menschen geschrieben sein. Aus Sicht eines Menschen, der durch rechte Gewalt zu Tode gekommen ist. Und der dieses Schicksal mit mindestens 183 weiteren ehemaligen Mitbürgern, Nachbarn, Freunden und Familienmitgliedern in der Bundesrepublik Deutschland teilt, welche zwischen 1990 und 2017 getötet wurden.

Doch befinde ich mich in der glücklichen Lage, nicht aus dieser Sicht berichten zu können. Wie sollte ich auch die Schmerzen, Ängste und Gedanken dieser Menschen wirklich nachvollziehen und in Worte fassen können?
Wie sollte ich verstehen, was in einem Mordopfer in diesem Moment vor sich geht? Und wie soll ich einen fremden Menschen angemessen in seinem Wesen porträtieren? Denn schließlich sind diese Menschen weit mehr als nur ein Opfer.

Natürlich ist ein Mord, ganz egal welch ein Motiv der Täter auch haben mag, niemals zu rechtfertigen. Doch ist dieses Vergehen, wenn es aus ideologischer Überzeugung geschieht, noch einmal so viel kaltblütiger und angsteinflößender, denn hier trifft das Opfer die Willkür des Täters meist unvorbereitet und ohne Mitleid. Das Erschreckendste ist jedoch, dass diese Menschen sich im Recht sehen. Dass sie kein Forschungsergebnis, keine geschichtliche Aufklärung und kein Zweifel von ihren Überzeugungen abbringen kann.

Und ich weiß nicht, wie es Ihnen oder Dir damit gehen mag, aber mir macht dies große Angst.
Ich bin kein Opfer rechter Gewalt oder rassistischer Anfeindungen.

Ich bin blond und blauäugig und falle damit nicht auf. Ich bin keiner Gefahr von rechter Gewalt ausgesetzt und habe den Großteil meines noch relativ jungen Lebens auch nie einen Gedanken an mögliche Diskriminierung aufgrund meines Aussehens verschwenden müssen. Dies ist ein großes Privileg und gleichzeitig macht es mich heute traurig, dass ich es als solches betiteln muss. Es ist kein Privileg, welches ich mir erarbeitet habe oder verdiene. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dieses auch niemals im vollen Ausmaß begreifen und wertschätzen kann.

Was ich allerdings kann, ist, alle Menschen in meinem Leben und in meinem Tun gleich zu behandeln. Ich wünsche mir, dass meine Einstellung somit ein kleines bisschen dazu beiträgt, dass Hautfarbe, Haarfarbe und Augenfarbe irgendwann nur noch als das gesehen werden, was sie wirklich sind, nämlich äußere Merkmale eines Menschen und nichts Weitergehendes.

Das allbekannte Sprichwort: „Der Teufel steckt im Detail“ umschreibt die Situation vieler in unserer Gesellschaft sehr treffend. Denn genauso verhält es sich auch mit dem Rassismus. Dem sogenannten Alltagsrassismus müssen einige Mitbürger und Mitbürgerinnen unter uns täglich die Stirn bieten.
Es handelt sich hierbei meist um Blödeleien oder Unbedachtheiten, die wir fälschlicherweise als eine solche verharmloste Tätigkeit wahrnehmen.

Auch in der Schule macht dieser Terror vor den Menschen nicht halt, denn er kennt kein Alter. Dabei trifft er junge heranwachsende Menschen meist besonders hart und verletzend.

Damit komme ich auch zu dem eigentlichen Schlüsselerlebnis und meiner Antriebskraft, diesen Brief hier an Dich oder Sie zu verfassen.

Als Schulausflug, soweit man dies unter Corona-Bedingungen so nennen kann, haben wir eine kleine Exkursion zur angrenzenden Mensa gemacht, in der die bereits erwähnten 183 Schicksale derer ausgestellt waren, die Aufgrund von politischer Einstellung, „anderem Aussehen“ oder sozialem Status zu Opfern von tödlicher Gewalt Rechtsradikaler geworden sind. Die Konfrontation mit ihren Geschichten und den Menschen hinter der bloßen Opferrolle ist eine Erfahrung und Weiterbildung, die ich jedem empfehlen kann. Doch wenn ich ganz ehrlich bin, war es etwas anderes, was mich viel mehr beschäftigte an diesem Tag. Eine Freundin von mir stand zusammen mit unserer Geschichtslehrerin neben der Ausstellung und berichtete über ihre Erfahrungen mit Rassismus. Hierzu ist zu erwähnen, dass ihre Eltern aus Polen stammen.
Sie erzählte der Lehrerin nun, dass sie es meistens nicht sonderlich amüsant fand, wenn Freunde oder Klassenkameraden Witze über ihre Herkunft machten oder sie damit neckten. Dabei waren dies nach meiner damaligen Auffassung harmlose Anspielungen wie: „Sarah, hast du schon wieder meinen Stift geklaut?!“ und niemals ernst gemeinte Anschuldigungen gewesen.

Als sie nun erzählte, dass sie dies meist nerven würde und sie besonders als jüngeres Mädchen belastet hätte, wurde mir ganz flau in der Magengrube. Ich fühlte mich sofort schuldig und fragte mich, ob ich ihr mit meinen niemals
verletzend gemeinten Bemerkungen wohl leichtfertig geschadet hätte. Ich fragte mich auch, warum mir dies nie aufgefallen war. Bestürzt und mit einem leicht schlechten Gewissen musste ich feststellen, dass wir über die ganze Thematik des Rassismus in unserem eigenen Leben nie wirklich geredet hatten. Dies war einfach dem Fakt geschuldet, dass es für mich nie etwas zu bereden gab.
Ich habe sehr lange die NS-Zeit Deutschlands und dieses dunkle
Kapitel in unserer Geschichte als etwas wahrgenommen, dass wir durch die wichtige und lobenswerte Erinnerungskultur in der Bundesrepublik und die Aufklärung in der Schule ausreichend behandeln. Doch ist mir durch die Ausstellung und die Äußerung dieser Freundin Folgendes schmerzlich bewusst gemacht worden: Von Rechtsradikalität bis hin zur salonfähigen rassistischen Äußerung, egal ob als Spaß gemeint oder mit fragwürdigem Unterton – diese Problematik ist in unserer Gesellschaft immer noch sehr lebendig vorhanden.

Ja, der Einzug rechter Parteien in den Bundestag ist wohl als Unglückszeichen vermeintlicher deutscher Unbelehrbarkeit, Ignoranz oder Geschichts-Amnesie zu deuten. Doch sollte uns das nur noch kämpferischer und entschlossener in unserem Auftreten gegen Rassismus stimmen. Wie bereits angeschnitten, ist dieser Missstand in vielen Formen vorzufinden und genauso viele verschiedene Handlungsmöglichkeiten sind dir und mir gegeben, etwas dagegen zu unternehmen. Ich hinterfrage manche meiner Gedankengänge nun genauer und versuche dadurch, meinen Mitmenschen stets ohne voreilige Einordnung in die „Schubladenkommode der Vorurteile“ unvoreingenommen gegenüber zu treten. Ich weiß, dass dies einen perfektionistischen Charakter trägt, doch würde das unserer Gesellschaft vielleicht auch nicht schaden. Schließlich würde ich mir wünschen, dass mir Menschen genauso gegenübertreten.
Wünschen wir uns das nicht alle?

Brief an die Nachwelt

Ida Klomfaß
Gemeinschaftsschule Mölln Mölln, 10a

Ihr Lebenden!

Mein Name ist Bernd Köhler und ich wurde am 22. Juli 2008 von zwei jungen Männern ermordet. Zur Zeit befinde ich mich mit vielen anderen Opfern in einer Zwischenwelt. Hier geht es mir gut. Ich habe keine unerträglichen Schmerzen mehr und die Möglichkeit, Euer weiteres Treiben auf Erden zu beobachten.

Da meine „Reise“ bald weiter geht, gab man mir Papier und einen Stift mit der Bitte, einen Brief an die Nachwelt zu schreiben. So eine Art moralisches Testament soll ich Euch übermitteln. Was ich zu Papier bringen möchte, ist mir völlig frei gestellt.

Zuerst wollte ich eine Hasstirade an meine hinterhältigen Mörder Sven P. (19) und Christian W. (22) loslassen. Als ich hier ankam, war ich so voller Wut auf sie. Ich dachte, sie würden mich mögen. Gemeinsam verbrachten wir trinkend den Abend vor meiner schrecklichen letzten Nacht. Die beiden durften mich auch „Stippi“ nennen, so wie ich von meinen Freunden und meiner Familie genannt wurde. Natürlich erzählte ich ihnen von meiner Arbeitslosigkeit und dass ich Sozialhilfeempfänger bin, bzw. war. Auch meine Alkoholsucht verschwieg ich nicht. Wie auch, es war ja deutlich zu erkennen. Dass ich damit in den Augen der beiden mein Todesurteil unterschrieb, war mir nicht klar.

Sie fingen an mich zu beschimpfen und steigerten sich immer mehr in ihren Beschuldigungen, dass ich ein Sozialschmarotzer sei, keine Ehre mehr hätte und der „Abschaum der Menschheit“ wäre. Ich bekam Angst und wollte aus der Werkstatt meines Vaters, in der wir drei trinkend beisammen saßen, flüchten. Da misshandelten sie mich. Ich schrie vor Schmerzen, vor Wut und vor Angst. Keiner kam, keiner half mir.

Sven und Christian erschlugen mich und versuchten meine Leiche nach ihrer Tat zu verbrennen. Das taten sie mit so viel Selbstverständnis und keiner Spur von Mitleid, dass mir selbst jetzt noch, wo ich vor ihnen nichts mehr zu befürchten habe, die Nackenhaare zu Berge stehen.
Ja, mein erster Gedanke beim Schreiben dieses Briefes war einfach nur Rache an diesen erbärmlichen „Würstchen“. Aber bei diesem Wort wurde mir klar, dass sie zwar hinterhältig und ekelhaft brutal gehandelt haben, aber eigentlich selbst Opfer sind.

Opfer von einer falschen Weltanschauung, von „falschen“ Menschen umgeben, die ihnen ihre menschenunwürdigen Ansichten von Kindesbeinen anerzogen. Kein Wunder, dass sowohl Sven als auch Christian bei der Gerichtsverhandlung keine Reue und Mitgefühl zeigten. Wie denn auch? Sie haben es nicht gelernt.

Auch der Bürgermeister meiner Heimatstadt Templin, Ulrich Schoeneich, hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als er die verschiedensten Initiativen gegen rechte Gewalt als „Einmischung von außen“ bezeichnete.

Schämt Euch, die Ihr auch seiner Meinung seid! Ihr seid dafür mitverantwortlich, dass es Menschen gibt, die sich heute noch als „Herrenrasse“ bezeichnen und brutal alles „beiseite räumen“, was nicht in ihre Weltanschauung passt. Was gibt Euch das Recht dazu? Ihr seid die wahren Schuldigen!

Meine letzten Worte gehen an die unter Euch, die sich zu Recht über das rechtsradikale Handeln empören. Eure Initiativen (Informationsveranstaltungen, Schulungen und Demonstrationen) finden wir, die Opfer, gut. Macht weiter so! Wehrt Euch gegen das „braune“ Gedankengut. Es ist durch und durch böse. Schützt Eure Kinder vor ihnen. Bringt ihnen Verantwortung und Toleranz bei. Wehrt Euch weiterhin gegen die Gewaltbereitschaft und Ausgrenzung anderer Menschen. Nur so kann der Tod meiner Leidensgenossen und meiner einen Sinn ergeben. Wir sind bei Euch.

Bernd Köhler

Brief an die Nachwelt

Ida Klomfaß
Gemeinschaftsschule Mölln Mölln, 10a

Ihr Lebenden!

Mein Name ist Bernd Köhler und ich wurde am 22. Juli 2008 von zwei jungen Männern ermordet. Zur Zeit befinde ich mich mit vielen anderen Opfern in einer Zwischenwelt. Hier geht es mir gut. Ich habe keine unerträglichen Schmerzen mehr und die Möglichkeit, Euer weiteres Treiben auf Erden zu beobachten.

Da meine „Reise“ bald weiter geht, gab man mir Papier und einen Stift mit der Bitte, einen Brief an die Nachwelt zu schreiben. So eine Art moralisches Testament soll ich Euch übermitteln. Was ich zu Papier bringen möchte, ist mir völlig frei gestellt.

Zuerst wollte ich eine Hasstirade an meine hinterhältigen Mörder Sven P. (19) und Christian W. (22) loslassen. Als ich hier ankam, war ich so voller Wut auf sie. Ich dachte, sie würden mich mögen. Gemeinsam verbrachten wir trinkend den Abend vor meiner schrecklichen letzten Nacht. Die beiden durften mich auch „Stippi“ nennen, so wie ich von meinen Freunden und meiner Familie genannt wurde. Natürlich erzählte ich ihnen von meiner Arbeitslosigkeit und dass ich Sozialhilfeempfänger bin, bzw. war. Auch meine Alkoholsucht verschwieg ich nicht. Wie auch, es war ja deutlich zu erkennen. Dass ich damit in den Augen der beiden mein Todesurteil unterschrieb, war mir nicht klar.

Sie fingen an mich zu beschimpfen und steigerten sich immer mehr in ihren Beschuldigungen, dass ich ein Sozialschmarotzer sei, keine Ehre mehr hätte und der „Abschaum der Menschheit“ wäre. Ich bekam Angst und wollte aus der Werkstatt meines Vaters, in der wir drei trinkend beisammen saßen, flüchten. Da misshandelten sie mich. Ich schrie vor Schmerzen, vor Wut und vor Angst. Keiner kam, keiner half mir.

Sven und Christian erschlugen mich und versuchten meine Leiche nach ihrer Tat zu verbrennen. Das taten sie mit so viel Selbstverständnis und keiner Spur von Mitleid, dass mir selbst jetzt noch, wo ich vor ihnen nichts mehr zu befürchten habe, die Nackenhaare zu Berge stehen.
Ja, mein erster Gedanke beim Schreiben dieses Briefes war einfach nur Rache an diesen erbärmlichen „Würstchen“. Aber bei diesem Wort wurde mir klar, dass sie zwar hinterhältig und ekelhaft brutal gehandelt haben, aber eigentlich selbst Opfer sind.

Opfer von einer falschen Weltanschauung, von „falschen“ Menschen umgeben, die ihnen ihre menschenunwürdigen Ansichten von Kindesbeinen anerzogen. Kein Wunder, dass sowohl Sven als auch Christian bei der Gerichtsverhandlung keine Reue und Mitgefühl zeigten. Wie denn auch? Sie haben es nicht gelernt.

Auch der Bürgermeister meiner Heimatstadt Templin, Ulrich Schoeneich, hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als er die verschiedensten Initiativen gegen rechte Gewalt als „Einmischung von außen“ bezeichnete.

Schämt Euch, die Ihr auch seiner Meinung seid! Ihr seid dafür mitverantwortlich, dass es Menschen gibt, die sich heute noch als „Herrenrasse“ bezeichnen und brutal alles „beiseite räumen“, was nicht in ihre Weltanschauung passt. Was gibt Euch das Recht dazu? Ihr seid die wahren Schuldigen!

Meine letzten Worte gehen an die unter Euch, die sich zu Recht über das rechtsradikale Handeln empören. Eure Initiativen (Informationsveranstaltungen, Schulungen und Demonstrationen) finden wir, die Opfer, gut. Macht weiter so! Wehrt Euch gegen das „braune“ Gedankengut. Es ist durch und durch böse. Schützt Eure Kinder vor ihnen. Bringt ihnen Verantwortung und Toleranz bei. Wehrt Euch weiterhin gegen die Gewaltbereitschaft und Ausgrenzung anderer Menschen. Nur so kann der Tod meiner Leidensgenossen und meiner einen Sinn ergeben. Wir sind bei Euch.

Bernd Köhler

„Ein Brief an das Leben“
von Stefan Grage

Lena Maaß Marion-Dönhoff-Gymnasium Mölln, 10. Klasse

Hallo liebe Bewohner des Herzogtum Lauenburg.

Mein Name ist Stefan Grage. Sie kennen mich vermutlich nicht, denn ich bin nur einer von vielen. Nicht nur einer von vielen Menschen auf dieser Welt, sondern auch einer der vielen Todesopfer von rechter Gewalt.

Ich war damals gerade mal 33 Jahre alt, hatte mich zum Polizeiobermeister hochgearbeitet und wollte eine noch höhere Position anstreben. Doch dann kam alles anders als gedacht. Der 23. Februar 1997 war mein verhängnisvoller Tag, mein Todestag. Nachdem der Neonazi Kay Diesner am 19. Februar den Buchhändler Klaus Baltruschat aus Berlin-Marzahn mit einer Waffe angriff, war er auf der Flucht. Und ausgerechnet uns musste er begegnen… Mein Kollege und ich, wir ahnten gar nicht, was in wenigen Sekunden passieren würde, als wir ihn kontrollieren wollten. Auf dem Parkplatz Roseburg an der A 24, hier im schönen Herzogtum Lauenburg, hielten wir ihn an, nur weil uns die Kennzeichen nicht ganz in Ordnung vorkamen. Doch plötzlich zog er eine Waffe und schoss los. Ich konnte nicht schnell genug reagieren und war dem Kugelhagel direkt ausgesetzt. Ich schoss zwar zurück, doch in diesem Moment wusste ich, dass es für mich kein Entrinnen mehr gab. Diesner konnte fliehen, doch für mich gab es keine Rettung mehr. Wenige Stunden danach war es vorbei. Mein Leben nahm ein jähes Ende, obwohl ich noch so viel erreichen wollte.

Ich wollte in meinem Beruf weiter aufsteigen. Ich wollte eine Familie gründen. Ich wollte ein langes, glückliches Leben führen. Doch nun wurde ich so plötzlich aus dem Leben gerissen und habe meine Mutter und meine Schwester zurückgelassen. Auch meinen Kollegen habe ich zurückgelassen. Ich bin so froh darüber, dass er diesen schrecklichen Tag überlebt hat, doch ich wünschte, er hätte diese Tat niemals sehen müssen. Niemand sollte solch eine Gräueltat erleben müssen. Es verschafft ihm vielleicht etwas Erleichterung zu wissen, dass Kay Diesner zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, aber die Spuren, die der 23. Februars hinterlassen hat, werden nie wieder verschwinden.

Ich hatte mir vor diesem Tag vorgenommen, im nächsten Jahr eine größere Reise zu unternehmen, wenn es sich einrichten ließe. Irgendwohin, wo es warm ist und die Sonne dauernd scheint. Italien, Spanien, ganz egal. Hauptsache einmal raus aus Deutschland und etwas Neues sehen. Doch auch dieses Glück blieb mir verwehrt.

Mir war nie wirklich bewusst, wie sehr ein einziger Mensch dein Leben beeinflussen kann, zum Positiven, aber leider auch zum Negativen. Wenn Diesner nicht gewesen wäre, wäre ich vielleicht noch am Leben, wäre möglicherweise befördert worden, hätte vielleicht eine Familie. Doch der Hass und die Intoleranz eines einzigen Menschen haben diese mögliche Zukunft in wenigen Minuten zerstört. Meine Zukunft ist nur eine unter vielen, welche durch rechte Gewalt zunichtegemacht wurde.

Deshalb habe ich eine Bitte an Sie.
Eine letzte Bitte.

Seien Sie offen. Seien Sie allen Menschen gegenüber offen, egal welche Hautfarbe sie haben oder welcher Religion sie angehören. Achten sie nicht nur darauf, ob dieser Mensch eine Behinderung hat oder nicht, ob er heterosexuell ist oder nicht. Es gibt so vieles mehr als diese Kleinigkeiten, mit denen wir unsere Zeit verschwenden. Diese Aspekte ziehen Grenzen in unserer Gesellschaft, die uns nur voneinander trennen. Sie führen dazu, dass es Schicksale wie mein eigenes gibt oder noch schlimmere. Schauen Sie sich den Charakter eines Menschen an. Dieser sagt Ihnen alles, was Sie über den anderen wissen müssen. Sitzt sein Herz am rechten Fleck? Ist er freundlich und hilfsbereit? Tut mir dieser Mensch gut? Natürlich gibt es auch Menschen, mit denen man nicht harmoniert, doch trotzdem sollte man sich diesen Personen gegenüber freundlich und respektvoll verhalten. Ich bitte Sie, nicht noch mehr Hass zu erschaffen, wo er vermieden werden kann, und ich bitte Sie, die unnötigen Grenzen, die uns Menschen zerteilen, einzureißen.

Und bitte, es muss nichts Großes sein, aber handeln Sie. Setzten Sie sich für andere ein, weisen Sie jemandem zurecht, der sich homophob äußert, sprechen Sie mit dem neuen Kollegen oder der neuen Kollegin mit Migrationshintergrund und helfen Sie ihr oder ihm sich einzuleben. Jede kleine Geste kann Großes bewirken, bitte vergessen Sie das nicht. Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, sind wir auf dem richtigen Weg in eine friedliche und gewaltfreie Zukunft und Schicksale wie meines oder das von vielen anderen Opfern gehören der Vergangenheit an und müssen sich nicht wiederholen.

Opfer rechter Gewalt

Selina Merhof Marion-Dönhoff-Gymnasium, 9d

Liebe Gemeinschaft aller Amberger, aller Möllner,
aller Bewohner Deutschlands,

schon über 25 Jahre ist es her. Am 7. September 1995 wurde ich in meiner Heimatstadt Amberg in den Fluss Vils geworfen und ertrank. Natürlich war mein Tod schrecklich, aber noch viel qualvoller ist es, daran zu denken, weshalb ich ermordet wurde. ,,Weil ich anders war“, meinten die rechtsradikalen Skinheads, die mich leiden ließen und mich mit ihren Springerstiefeln zusammentraten.Ich war nicht so wie sie. Ein ,,unwertes Leben“, eine ,,Unterart von Mensch“ in ihren Augen und das nur, da meine
sexuelle Orientierung nicht ihrem ,,Idealbild“ entsprach.

Trotzdem outete ich mich vor den faschistischen Männern. Ich stand zu einem wichtigen Teil von mir, auch wenn ich wusste, sie würden es hassen. MICH dafür hassen.

Es schmerzt, zu sehen, dass so viele Menschen nach mir, aber auch schon vor mir, verurteilt, misshandelt, diskriminiert und getötet wurden. Obwohl sie doch auch nur Menschen waren, so wie Sie und ich…
Und genau deshalb schreibe ich diesen Brief.

Ich verlange nicht, dass Sie etwas ,,anderes“ mögen oder unterstützen, aber es ist doch das Mindeste, das Leben und die Entscheidungen anderer Leute zu tolerieren und zu akzeptieren. Unser Aussehen, unsere Sexualität, unsere Herkunft oder unser Glaube definiert nicht unseren Charakter, wer WIR sind, darf nicht unser Handeln im Miteinander beeinflussen. Nichtsdestotrotz werden noch immer solche grässlichen Taten vollbracht. Die Menschheit hat es noch nicht begriffen.

Doch Sie alle können jetzt etwas dagegen tun! Schweigen Sie nicht, gucken Sie nicht weg, wenn Menschen in ihrer Nähe unter rechter Gewalt und ihren Folgen leiden müssen, so wie ich es für viele Jahre getan habe.
Nur zusammen kann man dieses Problem lösen, welches für den Einzelnen zu groß scheint, um es bekämpfen zu können.

Gerne hätte ich mein Leben komplett ausgekostet und in vollen Zügen genossen, aber so sollte es nicht kommen. Also flehe ich Sie darum an,
,,andere“, ,,neue“ Dinge anzunehmen, die Welt in einem anderen Licht zu sehen und sich auch auf schöne Momente zu konzentrieren!

Mein damaliger Beruf zu Lebzeiten war Busfahrer. Und egal, wie eintönig und fad meine Schichten doch manchmal waren, ein einziges Lächeln und ein lieb gemeintes ,,Guten Tag“ eines eingestiegenen Fahrgasts erhellte meine Stimmung sofort.

Anderen freundlich und mit Respekt zu begegnen, reicht oft, um Komplikationen zu klären, wobei Gewalt nur zu MEHR Problemen führt.

Und wenn das alles jeder Mensch verstehen, in seinen Kopf bekommen würde, könnte ich mir keine schönere und friedlichere Welt vorstellen.

Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, diesen für michbedeutungsvollen Brief zu lesen.

Ihr Klaus-Peter Beer